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Wilken_1-2013

IntErVIEW eine Belastung für den Organismus Fragen an Prof. Dr. christof Dörfer, Direktor der Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein/Kiel 1.Welche Faktoren spielen bei der entwicklung einer Parodontitis eine wesentliche rolle? Parodontitis ist eine komplexe Erkrankung des Zahnhalteapparates, zu deren Entstehung und Verlauf viele Faktoren beitragen. Allgemein kann man sagen, dass das Verhältnis der Bakterien in unserer Mundhöhle zu unserem Immunsystem gestört ist, was zu Entzündungsreaktionen führt. Die Bakterien in unserer Mundhöhle gehören aber zu unserem Organismus ebenso wie Darmbakterien. Stimmt die Ökologie der Mundhöhle, schützen sie uns z. B. vor Pilzinfektionen. Die wichtigsten Faktoren, die diese Ökologie der Mundhöhle stören, sind mangelnde Mundhygiene, Nikotinkonsum und ein schlecht eingestellter Diabetes. Alle anderen Faktoren sind in der Regel nachgeordnet. 2.eine Parodontitis heilt nie mehr völlig aus – stimmt diese Aussage? Von alleine heilt eine Parodontitis nicht aus. Wird eine Parodontitistherapie durchgeführt, gelingt es, entzündungsfreie Verhältnisse herzustellen. Allerdings wird der bereits zerstörte Anteil des Zahnhalteapparates nicht wiederhergestellt. Daher ist es wichtig, eine Parodontitis möglichst früh zu erkennen und zu behandeln. Außerdem bleibt das Erkrankungsrisiko bestehen, sodass die Erkrankung wieder auftritt bzw. weiter fortschreitet, wenn nicht eine intensive Nachsorgetherapie angeschlossen wird. Sie ist die wichtigste Voraussetzung für einen dauerhaften Therapieerfolg. 3.hilft eine Parodontitisbehandlung auch der Allgemeingesundheit? Häufig senkt eine erfolgreiche Parodontitistherapie nachweislich das Risiko z. B. an einer Endokarditis (Entzündung der Herzinnenhaut) zu erkranken. Gleiches gilt für eine Lungenentzündung vor allem bei Bettlägerigen und Menschen mit stark geschwächtem Immunsystem. Eine Parodontitis tritt oft auch gemeinsam mit Gefäßerkrankungen und Schwangerschaftskomplikationen auf. Bis heute konnte aber nicht bewiesen werden, dass eine Parodontitistherapie das Risiko dieser Erkrankungen wirklich senkt. Ein Diabetes wird ebenfalls ungünstig durch eine Parodontitis beeinflusst. Die Reaktionen der Patienten auf eine Parodontitistherapie bezüglich ihrer Blutzuckerwerte sind sehr unterschiedlich und reichen von großen Verbesserungen bis zu Verschlechterungen der Werte. Daher sollte die Parodontitisbehandlung bei diesen Patienten immer in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen, damit man auf veränderte Situationen reagieren kann. Ungeachtet dessen belastet eine chronische Entzündung immer den Gesamtorganismus und sollte behandelt werden. gischen eingriff wird dazu der Zahnfleischrand gelöst („unter sicht“), um auch an tiefer liegende stellen zu gelangen. Dabei kann der Verlauf bei unregelmäßigem Knochenabbau pflegeleichter gestaltet und in bestimmten Fällen können Defekte mit regenerativen maßnahmen wieder aufgebaut werden. nACHSorGE: Ein lebenslanges Projekt Die parodontitis gilt als erfolgreich bekämpft, wenn die entzündungen abgeklungen und keine oder nur wenige resttaschen mit geringer tiefe nachweisbar sind. um diese situation zu erhalten, sollte der Zustand von Zahnfleisch und Zahnhalteapparat in der nachsorge in regelmäßigen abständen unbedingt überprüft werden – neu aufflammende entzündungen können wir so rechtzeitig erkennen. auch professionelle Zahnreinigungen und nachbehandlungen der verbliebenen taschen sollten zunächst in engen Zeiträumen durchgeführt werden, später reichen je nach risiko zwei- bis viermal im Jahr. Über den dauerhaften erfolg der parodontitisbehandlung entscheidet zudem ganz wesentlich das mundpflegeverhalten zu hause. Zahnpflege wird anspruchsvoller „leider heilt die parodontitis auf dem niveau des verbliebenen Zahnhalteapparates aus und die regenerationsmöglichkeiten der gewebe sind bislang noch begrenzt“, betont prof. schmage. Dies auch mit dem hinweis darauf, dass die mundpflege zu hause durchaus anspruchsvoller geworden ist – bedingt durch eine veränderte mundsituation. so kann nach der behandlung mit dem ausheilen der entzündung das ehemals geschwollene Zahnfleisch schrumpfen. Dadurch können bereiche der Zahnwurzeln oder Kronenränder teilweise freiliegen, mit der Folge empfindlicher Zahnhälse und eventuell beeinträchtigter Ästhetik. auch das risiko von wurzelkaries steigt. eine dieser situation angepasste pflege und spezielle putzanweisungen sind dann notwendig. Kontrolle plus Motivation „bei guter nachbetreuung und regelmäßiger Zusammenarbeit mit der Zahnarztpraxis kann ein vorgeschädigter Zahnfleischzustand über viele Jahre stabil und können die Zähne erhalten bleiben“, so prof. schmage. „Dieses ergebnis kann aber nur zusammen mit der Zahnarztpraxis gelingen. Denn zum einen ist es menschlich, dass niemand allein die erforderliche hohe motivation immer beibehält. Zum anderen sind Kontrollen unerlässlich, um eine Verschlechterung rechtzeitig zu erkennen und erneut einzugreifen.“ ihr patientenmagazin Gute Zähne schönes Leben 13 Fotos: Jxxxxxx „bei einer parodontitis ist das Verhältnis der bakterien in unserer mundhöhle zu unserem immunsystem gestört, was zu entzündungsreaktionen führt.“


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